Auf diesen Tag haben viele Piloten und Flugplatzbetreiber lange gewartet: Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr hat am 30. April die NfL 2024-1-3106 veröffentlicht. Das Schreiben mit dem Titel "Grundsätze über die Betriebsleitung auf Landeplätzen und Segelfluggeländen ohne Flugverkehrsdienste" bildet die Grundlage fürs Fliegen ohne Flugleiter – eine Praxis, wie sie in den meisten Ländern weltweit selbstverständlich ist. Allerdings bleibt nach der Lektüre die Erkenntnis, dass das Dokument kein Freibrief ist, um die Flugleiter – die jetzt Betriebsleiter heißen, weil sie ohnehin keine Flüge "leiten" dürfen – ohne Wenn und Aber in den Ruhestand zu schicken. Was allerdings geht: Flugplatzbetreiber können bei ihrer jeweiligen Landesluftfahrtbehörde jetzt die Genehmigung beantragen, um ohne "Türmer" agieren zu dürfen. Ein Schwarz-Weiß-Denken gibt es dabei nicht, denn auch künftig können die Bodenfunkstellen bei Bedarf weiterhin besetzt bleiben, und sei es nur, um das Hauptflugbuch zu führen.
Viele Einschränkungen
Die NfL legt zum Beispiel fest, welche Plätze überhaupt in Frage kommen: "Die Grundsätze beziehen sich auf Flugplätze, die keine Flugverkehrsdienste (ATS) erbringen sowie auf Flugplätze mit Flugverkehrsdiensten außerhalb der Flugsicherungsdienstzeiten. Es ist sicherzustellen, dass keine zertifizierungspflichtigen Dienste – inklusive Flugplatz- Fluginformationsdienst (AFIS) – durch Betriebsleitungen durchgeführt werden." Das letzte Wort haben die Landesluftfahrtbehörden. Dazu heißt es: "Die Luftfahrtbehörde kann aufgrund örtlicher Gegebenheiten sowie nach Art und Umfang des Flugbetriebs nach § 53 Abs. 3 LuftVZO die Bestellung einer oder mehrerer Personen zur Betriebsleitung verlangen. Die Bestellung der Betriebsleitung kann sich dabei über den gesamten Flugbetrieb erstrecken oder nur auf einen Teil, beispielsweise innerhalb bestimmter Zeiträume oder Betriebsbedingungen." Punkte, die dies rechtfertigen, sind beispielsweise regelmäßiger oder geplanter gewerblicher Flugbetrieb, umfangreicher Mischflugbetrieb oder auch potentiell gefährliche örtliche Bedingungen. Die Liste ist lang und bietet Interpretationsspielraum.
Betriebsleiter als "Erfüllungsgehilfe"
Geregelt werden auch die Befugnisse der Betriebsleitung. Als "sogenannter Erfüllungsgehilfe und privatrechtlicher Vertreter des Flugplatzbetreibenden" habe diese für einen betriebssicheren Zustand des Flugplatzes und den ordnungsgemäßen Betrieb zu sorgen. Hoheitliche Aufgaben hingegen werden von der zuständigen Luftfahrtbehörde, der Flugsicherungsorganisation oder Hilfsorganen wahrgenommen, heißt es sinngemäß.
Enttäuschung bei den Verbänden
AOPA und DAeC zeigen sich gleichermaßen enttäuscht über den Inhalt der NfL. "Zurecht frustriert sind wir darüber, dass es den Ländern zusteht von diesen Grundsätzen abzuweichen. Dieser Ausfluss der föderalen Struktur wird erfahrungsgemäß zu unterschiedlichen Rechtsanwendungen und Unsicherheit führen", heißt es auf der Website der AOPA. Das Ministerium habe versucht eine gemeinsame Linie der verschiedenen Interessen der Landesluftfahrtbehörden zu finden. Das Ergebnis sei "definitiv der kleinste gemeinsame Nenner". Die AOPA rät Flugplatzbetreibern, eine solide Vorbereitung fürs Fliegen ohne Flugleiter zu treffen und ein Betriebskonzept zu erarbeiten. Mike Morr, Referent für Luftraum, Flugsicherheit und Flugbetrieb im DAeC, schreibt auf der Webiste des Verbands: "Leider sind unsere Anregungen in keiner Weise in das Papier eingeflossen." Die Vorgaben könnten den Weg zur Genehmigung fürs "Fliegen ohne Flugleiter" erschweren, weshalb der DAeC Nachbesserungen einfordern möchte.
Eine unendliche Geschichte
Fliegen ohne Flugleiter ist in Deutschland ein Dauerbrenner. Mehr als ein Jahrzehnt hatte sich die AOPA für diese neue Freiheit eingesetzt, bis schließlich am 20. April 2023 die NfL 2023-1-2792 mit dem Titel "Gemeinsame Grundsätze des Bundes und der Länder über das Feuerlösch- und Rettungswesen auf Flugplätzen" veröffentlicht wurde. Demnach muss keine Person mehr während des Betriebs am Flugplatz vor Ort sein, die in die Bedienung von Rettungsgerätschaften eingewiesen ist. Damit war augenscheinlich eine wesentliche Hürde für die Abschaffung der Flugleiterpflicht in Deutschland gefallen – allerdings zeigten sich im Nachhinein neue Stolpersteine, etwa die Forderungen an Verkehrslandeplätze mit gewerblichem Verkehr, ihr Lösch- und Rettungswesen anzupassen. Diese NfL wiederum war durch eine Änderung der ICAO-Regularien im Juni 2021 ermöglicht worden. Im novellierten Annex 14 heißt es nun: Der übliche Betrieb der Allgemeinen Luftfahrt ist künftig von der Vorschrift ausgenommen, eine Person vorzuhalten, die im Notfall Hilfe rufen und das Lösch- und Rettungsgerät bedienen kann. Wie die Geschichte ums Fliegen ohne Flugleiter (sorry, Betriebsleiter) ausgeht, werden die kommenden Monate zeigen, wenn die ersten Landeplätze ihre Bescheide von den Behörden erhalten.